Volles Tagesgeschäft und trotzdem Zeit für Strategie
3 ungewöhnliche Praxisbeispiele und 3 wirksame Strategietipps für KMU aus der IT- und High-Tech-Branche
Strategiearbeit ist oft das Erste, was im hektischen Alltag von kleinen und mittleren Unternehmen hinten runterfällt. Dabei ist gerade in dynamischen Märkten wie IT oder High-Tech strategisches Denken überlebenswichtig.
Wie also finden Sie Raum für Zukunftsarbeit, wenn das operative Geschäft alles blockiert?
In meiner Arbeit mit KMU-Chefs begegnet mir diese Frage regelmäßig. Die gute Nachricht: Mit einigen gezielten Veränderungen und kreativen Ansätzen gelingt es auch unter hoher Last, echte Strategiezeit zu schaffen.
In diesem Beitrag stelle ich Ihnen drei konkrete Praxisbeispiele aus meiner Beratungspraxis und drei praxiserprobte Strategietipps vor. Alle Ansätze wurden in IT- und High-Tech-Unternehmen entwickelt – oft aus einer ersten Skepsis heraus, und alle mit sichtbarem Erfolg.
🧩 Teil 1: Drei ungewöhnliche Praxisbeispiele aus meiner Beratung
Praxisbeispiel 1: „Strategie-Walks“ statt Konferenzraum-Meetings
Ein junges High-Tech-Startup aus der Robotik-Entwicklung war so stark im Tagesgeschäft gefangen, dass keine Zeit für Strategie blieb. In der Beratung schlug ich ein völlig neues Format vor: den wöchentlichen Strategie-Walk.
Was wurde umgesetzt?
Jeden Freitag ging das Gründerteam 60 Minuten spazieren – mit einem klar definierten strategischen Thema. Die Bewegung half, Abstand vom Tagesgeschäft zu gewinnen und kreativer zu denken.
Reaktion:
Anfangs belächelt („Was soll Spazierengehen schon bringen?“), nach nur drei Wochen war klar: Die Strategiegespräche waren konzentrierter, produktiver – und lieferten klare nächste Schritte. PowerPoint-Sitzungen wurden überflüssig. Und gleichzeitig haben die drei noch etwas für ihre Gesundheit getan.
Kosten für die Umsetzung: keine direkten, nur Zeitinvestition
Praxisbeispiel 2: Montagmorgen-Ritual für mehr Zukunftsfokus
Eine Geschäftsführerin eines IT-Dienstleisters für Cloud-Services mit 18 Mitarbeitenden klagte in unserer Zusammenarbeit über fehlenden Raum für strategische Arbeit.

Meine Empfehlung:
Ein festes Ritual: Jeden Montag von 8:30 bis 9:00 Uhr ein stehendes Strategie-Standup mit dem Kernteam – keine E-Mails, keine Anrufe, nur strategischer Austausch am Whiteboard im Flur (für die Ideen), Teilnehmer: Kernteam plus Chefin.
Reaktion:
Erst Skepsis im Team: „Noch ein Meeting? Im Stehen?“ Doch nach wenigen Wochen entstand ein neues strategisches Miteinander. Erste Initiativen, die jahrelang aufgeschoben worden waren, wurden endlich angepackt. Es zeigte sich eine klare Verbesserung im Teamklima und der Fokus auf strategische Aufgaben. Die Mitarbeitenden fühlten sich stärker eingebunden und brachten eigene Ideen ein. Und da das Ganze im Stehen stattfand, hielten sich alle knapp in ihren Ausführungen und Gedanken.
Kosten für die Umsetzung: keine direkten, nur Zeitinvestition
Praxisbeispiel 3: Verantwortung abgeben statt Aufgaben delegieren
Ein Softwareentwicklungs-Chef (spezialisiert auf Planungs-Apps für spezialisierte Anlagenbauer) mit 25 Mitarbeitenden fühlte sich operativ überlastet. In einem gemeinsamen Workshop entwickelten wir eine Delegationsmatrix, die nicht nur Aufgaben, sondern auch Verantwortung mit klaren Zielen und Budgets übertrug. Die Einführung gestaltete sich in mehreren Etappen.
Was wurde umgesetzt?
In einem Workshop von 4 Stunden haben wir gemeinsam Aufgabenbereiche analysiert und klare Verantwortlichkeiten mit definierten Ergebnissen und Deadlines zugeteilt. Die Mitarbeiter, die Projekte übernehmen, werden mit kleinen „Verträgen“ ausgestattet. Diese enthalten klare Ziele, Deadlines und Erfolgskriterien und natürlich auch entsprechendes Budget, über das sie ohne Nachfragen verfügen können. So verstehen alle, was von ihnen erwartet wird, und fühlen sich verantwortlich. Das entlastet den Chef spürbar. Nun gab es klare Verantwortlichkeiten, Zieldefinitionen und festgelegte Feedbackzyklen.
Reaktion:
Anfangs Unsicherheit beim Chef („Kriegen die das wirklich ohne mich hin?“), dann Begeisterung: Die Mitarbeitenden wuchsen in ihre Rollen hinein, und der Geschäftsführer konnte seine operative Arbeitszeit um insgesamt 30 % (anfangs um 10 %, später um weitere 20%) reduzieren – Zeit, die in Strategiearbeit floss.
Das ist enorm für solch ein kleines Unternehmen. Dadurch hatte der Chef nun mehr Raum für strategische Planung und externe Netzwerkpflege und die Mitarbeiter fühlten sich motivierter und sicherer in ihren Rollen..
Dauer und Kosten für die Umsetzung: 3 Wochen, inklusive Follow-up-Gesprächen. Beratungskosten von ca. 2.500 Euro.
🎯 Teil 2: Drei strategische Tipps, die im Alltag funktionieren
Strategietipp 1: Schreiben Sie mit der Hand
Ein Kunde – ein IT-Dienstleister (Infrastruktur für Banken und Versicherungen) – berichtete von ständiger mentaler Überlastung. Ich riet zu einem einfachen Test: Jeden Morgen fünf Minuten handschriftlich eine persönliche „Strategie-Agenda“ notieren.
In einigen IT-Firmen ist „Digital Detox“ ein Trend geworden – bewusst mal offline gehen. Klingt erstmal ungewöhnlich für ein IT-Unternehmen, in dem sonst kaum ein Stück Papier mehr auf den Schreibtischen zu finden ist. Doch es funktioniert.
Was geschah?
Nicht nur der Geschäftsführer, sondern auch zwei Entwickler übernahmen die Methode. Ergebnis: Klarheit im Kopf, mehr Fokus, weniger digitales Rauschen – und mehr Bewusstsein für strategische Themen im Alltag.
Strategietipp 2: Denken Sie Worst-Case-Szenarien durch
Ein IT-Sicherheitsunternehmen verdrängte in der Planung oft Risiken. Gemeinsam etablierten wir ein monatliches Risiko-Meeting mit einer einfachen Risikomatrix.
Das nahm diffuse Angst aus den Teams und machte die Strategie und die Planung viel robuster. Dazu nutzte der Dienstleister eine Risikomatrix für alle Projekte. In dieser Matrix sind die Risiken in Abhängigkeit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungen bzw. Schadensausmaße verteilt, sodass jeder regelmäßig die gravierendsten Risiken auf einen Blick ermitteln kann. Besonders gut gelingt es, wenn dazu einmal monatlich gezielt für ein Risiko-Meeting eingeladen wird und zusammen mit allen die möglichen Risiken bewertet werden. Anfangs braucht es ein wenig Disziplin jedes Mal alle Risiken zu bewerten, doch mit der Zeit klappt das in maximal 20 Minuten.
Effekt:
Klare Benennung von Risiken, realistischere Projektplanung, und: Die diffuse Angst wich einer konkreten Vorbereitung. Die Geschäftsstrategie und die Planung wurde greifbarer und robuster.
Strategietipp 3: Schaffen Sie eine Chef-freie Zone
In einem High-Tech-Unternehmen (Laser-Mikrobearbeitung für Anwendungen in Hochleistungswerkstoffen) regte ich in der Beratung an, einen „Strategieraum“ einzurichten, in den der Chef nur auf Einladung durfte. Das Team sollte eigenständig Innovationsideen entwickeln.
Probeweise wurde also ein „Strategieraum“ eingerichtet. Dort arbeiteten Teams ohne direkten Einfluss der Geschäftsleitung strategisch an Innovationsprojekten, meist einmal die Woche am Freitag. Das förderte Kreativität und Eigenverantwortung und am Ende entstanden neue Produkte und Services. Unterdes bekam der Chef Zeit für andere wichtige Dinge.
So konnten die Mitarbeitenden gleichzeitig effizient und effektiv kreativ werden und der Chef hatte nun für sich ein eigenes Zeitfenster für die übergeordneten Strategien geschaffen, in dem er nicht von den Mitarbeitenden in Anspruch genommen wird, da diese im Strategieraum wirkten. Nach einem halben Jahr auf Probe beschlossen die Mitarbeitenden zusammen mit dem Chef, dass sie den Strategieraum weiter nutzen wollten. Win-Win-Win für Mitarbeitende, den Chef und das Unternehmen selbst, weil nun regelmäßige Innovationen die Zukunft des High-Tech-Unternehmens sicherten.
Was geschah?
Wöchentliche, selbstorganisierte Treffen – ohne Führungseinfluss. Das Vertrauen zahlte sich aus: Neue Produktideen, höhere Motivation, und gleichzeitig hatte der Chef Zeit für seine übergeordnete Strategiearbeit. Nach einem halben Jahr wurde das Format fest etabliert.
💡 Ergänzende Impulse für mehr Strategie im Alltag
Wenn Sie noch mehr tun möchten, jedoch nicht gleich ganze Formate umstellen wollen, hier einige einfache und wirksame Mini-Impulse:
- 🧠 Delegieren Sie das Denken: Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden: „Wie würdest du das lösen, wenn ich nicht da wäre?“
- ⏳ Geben Sie Deadlines statt starrer Zeitpläne: Mehr Freiraum für kreative Lösungen
- ☕ Strategiegespräche im Alltag: 5-Minuten-Austausch über Markttrends beim Kaffee oder Mittagessen
👥 Strategie mit Sparringspartner oder Mastermind?
Strategie gelingt besser mit Reflexion. Sie brauchen jemanden, der mitdenkt, nicht jemand, der Ihnen alles vorgibt. Ich begleite UnternehmerInnen regelmäßig in Form von Einzel-Sparrings oder Mastermind-Gruppen.
Ein KMU-Ches eines kleinen Software-Startups, das sich vor kurzem erst mit einer App für die Spritzgieß-Branche selbständig gemacht hat, hat mit einem erfahrenen Ex-CEO aus einer anderen Stadt via Videocall regelmäßige Strategiegespräche. Dieser bringt nicht nur Fachwissen, sondern auch eine andere Perspektive mit ein und stellt kritische Fragen. Dabei wird kein fertiger Plan geliefert, sondern der KMU-Chef wird herausgefordert, selbst zu denken und zu reflektieren. Das funktioniert nachweislich in vielen Branchen und zu vielen Themen sehr, sehr gut. Manche Masterminds treffen sich virtuell – manche auch persönlich – schon viele Jahre und sind der Meinung, dass ohne die monatlichen „Calls“ sie nie so weit gekommen wären, wie sie jetzt sind. Regelmäßiges Feedback auf Augenhöhe kann so manchen Chef oder Chefin auf ihrem Weg bestärken. Probieren Sie es aus.
👉 Melden Sie sich gerne bei mir, wenn Sie Teil einer neuen Mastermind-Gruppe werden wollen. Ich stelle gerade ein neues Team zusammen, das ich die ersten 3-4 Mal moderieren werde, bis die Mastermind alleine laufen kann. (jk at juttakeller.net)
Auch wenn Sie der Meinung sind, dass Sie schneller mit einem einzigen Sparringspartner statt mit einer Mastermind weiterkommen, stehe ich Ihnen gerne als Sparringspartner zur Seite. (jk at juttakeller.net)
🧭 Fazit: Strategie braucht keinen Raum, sondern Struktur und einen Sparringspartner
- Rituale statt Zufälle: Blockieren Sie feste Zeiten für Strategie – und halten Sie diese ein.
- Verantwortung statt Aufgaben: Trauen Sie Ihren Mitarbeitenden mehr zu – mit klaren Rahmenbedingungen.
- Ungewöhnliche Methoden bringen neue Perspektiven: Spaziergänge, Handschriftliches, Räume ohne Chef – sie wirken oft besser als klassische Workshops. Probieren Sie es einfach mal aus.
- Sparringspartner oder eine Mastermind-Gruppe: Dranbleiben ohne Ausreden!
✅ Ihre Strategie-Checkliste für den KMU-Alltag
🔲 Haben Sie (mindestens) eine feste Stunde pro Woche für strategisches Arbeiten reserviert?
🔲 Gibt es jemanden, der Sie als Sparringspartner herausfordert?
🔲 Delegieren Sie echte Verantwortung mit Erfolgskriterien?
🔲 Probieren Sie bewusst ungewöhnliche Methoden wie Strategie-Walks oder Handnotizen?
🔲 Haben Sie eine Zone oder Zeit, die frei vom Tagesgeschäft ist?
🔲 Denken Sie regelmäßig über Risiken nach – strukturiert und bewusst?
Wenn Sie Klarheit über Ihre Situation und die nächsten Schritte gewinnen möchten, empfehle ich Ihnen meinen kostenfreien 5-Punkte Future Check.
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Haben Sie Fragen oder Anregungen für weitere Artikel, dann schreiben Sie mir gerne eine E-Mail an juttakeller at juttakeller.net. Ich antworte schnell.
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Warum Sie nicht einfach irgendetwas brauchen – der Irrtum vieler Unternehmen: https://www.juttakeller.net/unternehmertum/vision-werte-leitbild-mission/
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Und hier noch ein ganz heißer Video-Tipp meinerseits, warum eine Unternehmenskultur so wichtig ist für eine Firma und wie Sie diese mit einem Fragebogen checken können: https://youtu.be/uchDF0QGAMw
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Auf meiner Webseite erfahren Sie mehr über mich und warum ich – Jutta Keller, Betriebswirtin, Qualitätsmanagerin, zertifizierter Business Coach – schon fast 25 Jahre aufstrebende KMU-Chefs und Chefinnen bei der Entwicklung klarer Strategien und effizienter Abläufe für ein zukunftssicheres Unternehmen unterstütze.
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